

Teuner klinkt sich aus

Wer nicht versteht, der geht. Das war schon immer so. Huch, jetzt haben wir womöglich schon mit der Überschrift unsere Haltung zu dem Diskurs verraten, oder? Könnte sein, iss aber auch egal. Wir würden gern eure Haltung zu dem „Thema“ erfahren. Schreibt uns, dann können wir darüber diskutieren. Hier auf der Seite oder vor Ort, in der Quelle. Hier die Antwort.
8. März 2019 von Jürgen Dollase /// aus: Eat, Drink, Think
Teuner klinkt sich aus
Christoph Teuner (56) hat in einem Artikel in „Falstaff“ mit dem Titel „Avantgarde Adieu“ den bei ihm schon lange schwelenden Konflikt zwischen den kulinarischen Realitäten und seinen persönlichen Vorlieben kulminieren lassen und will in Zukunft „keine Trend-Restaurants mehr betreten“. Diese Wendung – die letztlich auch das Eingeständnis eines Versagens ist – überrascht nicht und ist ohne Gewicht. Irritierend ist allerdings der aggressive bis autoritäre Ton, der die weitgehend naiven Ausführungen begleitet.
Zur Erinnerung: Christoph Teuner ist vor allem als NTV-Nachrichtensprecher bekannt geworden. Weil er ein gewisses Interesse an der Spitzenküche zeigte, wurde ihm von verschiedenen Medien Platz für Restaurantberichte etc. eingeräumt. Teuner spielt dabei – ähnlich wie Prominente als Köche (Stichwort: Kochbücher von Schlagersängern) – so etwas wie die Rolle eines Promi-Restauranttesters. In seinen Ausführungen hat er nie die Rolle eines seriösen Kritikers füllen können, weil ihm immer wieder seine oft unsachlich vorgetragenen und verteidigten persönlichen Vorlieben im Wege standen.
Teuner ist ein Anhänger eher traditioneller Formen der Küche und setzt häufig auf eine Art „gesunden kulinarischen Menschenverstand“, ohne dabei allerdings die vielen Auswüchse und Schwachstellen traditioneller Spitzenküche wahrzunehmen. Normalerweise kommentiere ich Texte mit einer wie hier unkontrolliert und völlig unreflektiert wirkenden Aggressivität nicht. Wegen des Konzeptes von „*Gourmet Watch“ möchte ich hier aber doch ein paar Anmerkungen zu diesem durch und durch ungeordneten Text machen.
Teuner versteht die Zusammenhänge rund um Küche und Gastronomie nicht Christoph Teuner hat vor allem nicht erkannt, dass es zwei grundverschiedene Formen der Gourmetküche gibt, die völlig unterschiedliche Konzepte verfolgen. Ich habe schon häufig über diesen Unterschied zwischen „bürgerlicher Gourmetküche“ (die im Prinzip die gleichen Mechanismen wie die „gutbürgerliche Küche“ bedient) und „kreativer Gourmetküche“ (die oft komplett gegensätzliche Ziele hat) geschrieben und dabei auch erläutert, warum vor allem Vertreter der bürgerlichen Gourmetküche die kreative meist nicht verstehen. Diesen Zusammenhang zu erkennen, würde allerdings auch bedeuten, dass man diese unterschiedlichen Positionen nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert.
Ein Satz wie „Ich bin Opfer geschwätziger Kochtechnik-Streber, die so etwas wunderbar Bauchiges wie Essen künstlich verkopfen“ ist so erschreckend prämissiv und unreflektiert, dass quasi jede darin offen oder verborgen gemachte Aussage unhaltbar ist. Dass zum Beispiel die komplette Wahrnehmung aller Elemente rund um ein Essen zuerst über den Kopf geht, scheint Teuner nicht bewusst zu sein. – Sodann beschwert sich der Autor über die zu kleinen Portionen und darüber, dass er nach solchen Essen immer Hunger habe. Im Restaurant „Ernst“ in Berlin waren die Portionen für ihn anscheinend so klein, dass er keinen Eindruck überprüfen konnte. Er versteigt sich zu dem Satz „Der Gutverdiener gibt Unsummen für Mager-Menüs aus. Das ist dekadent.“. Die Ironie: Im Wortsinn ist ein Restaurant ein Ort, an dem man gestärkt, ‚wiederhergestellt‘ werden soll.
Wieder ist alles Unsinn – auch das im Wortsinn – und entspricht einer offensichtlich zementierten Vorstellung des Autors davon, wie Essen auszusehen hat. Dass er dabei ausgerechnet Küchen, in denen die Gäste neue Sensibilitäten entdecken und entwickeln können, die ausgesprochen zukunftsträchtig sind, als „dekadent“ bezeichnet ist eine glatte Verdrehung der Tatsachen.
Teuner hat anscheinend Schwierigkeiten kulinarische Zusammenhänge zu begreifen oder zu verstehen, dass es sehr viele Leute gibt, die anders denken als er. Im Zusammenhang mit René Redzepi etwa erweckt er den Eindruck, als könne man bei den Gerichten der Avantgarde keine Freude empfinden. Auch das ist glatter Unsinn. Mit seiner Abneigung gegen Erläuterungen von Gerichten beim Servieren begibt er sich dann endgültig auf Stammtischniveau. Alles, was er hier von sich gibt, könnte man sich jeden Tag und jederzeit in der dumpfen Stimmung von Kneipen anhören, denen jede Küche außer ihrer eigenen Hausmannskost das Ziel von Aggression ist.
Ganz offensichtlich halten sich auch die Kenntnisse des Autors über den Stand der Wissenschaft sehr in Grenzen – wie er überhaupt trotz intensiven Name-Droppings – bei allem völlig uninformiert darüber wirkt, was über den Akt des unmittelbaren Essens hinausgeht. Dass uns diese Art der mangelnden Reflexion über Essen Unmengen von Unheil – von Tierquälerei bis zu dem Übergewichtproblem und der Zerstörung der Umwelt – eingebracht hat, spielt in diesem aufgebauschten Wutschwall keine Rolle.
Niemand wird Teuner davon abhalten, „nur noch entspannt, konservativ und üppig“ zu essen. Aber es gibt sehr viele Leute, die eben „entspannt“ anders definieren, und es lieber einmal spannend haben wollen. Die „konservativ“ als Bewahrung und Nutzung einer sensibel wahrgenommenen Schöpfung verstehen und sich nicht durch die bisweilen schließlich auch viel zu schweren Menüs nicht-avantgardistischer Restaurants quälen wollen, sondern Leichtigkeit und Einfallsreichtum als „üppig“ empfinden.
Man wird Christoph Teuner in den „Trendrestaurants“ (was soll das jetzt wieder sein? „Ernst“ oder „Fritz“, „Felix“ oder „Neobiota“?) nicht vermissen. Er ist ein Spalter, keiner, der für die Entwicklung der Esskultur positive Beiträge leisten könnte.
Ein aggressiver Beitrag wie der von Christoph Teuner ist offensichtlich der Versuch, auch ohne viel Wissen und Kenntnisse und vor allem ohne ein entwickeltes Verständnis von Kochkunst Aufsehen zu erregen. So etwas kommt schon mal vor. Wer nicht versteht, der geht. Das war schon immer so.
*Gourmet-Watch
Gourmet-Watch ist ein innovativer Themenkomplex, der eine Lücke schließt, die längst hätte geschlossen werden müssen. Gourmet-Watch ist einerseits eine Verteidigung der guten Küche und kulinarischer Qualitätsmaßstäbe gegen „Übergriffe“ aller Art – wie sie zum Beispiel in Gourmet-Kampagnen von Discountern oder Supermärkten zu finden sind.
Andererseits ist Gourmet-Watch auch eine „Kritik der Kritik“ bei kulinarischen Themen unter besonderer Berücksichtigung der Belange der Gourmetküche. Ziel ist eine Gegenstimme zu den bisweilen unsäglich schwachen, fehlerhaften oder einseitigen journalistischen Darstellungen guter Köche und ihrer Küchen – ebenso eine Gegenstimme zu den teilweise unsachlichen oder manipulativen Texten in Restaurantführern.
Fehler oder gravierende Einseitigkeiten werden nicht mehr wortlos akzeptiert. Bisher haben sich Köche und andere Betroffene nur äußerst selten gegen solche Texte gewehrt, weil sie zum Beispiel Nachteile für ihr Restaurant oder ihre Zukunft befürchten. Gourmet-Watch ändert das.